Mittwoch, 11. August 2010

Ein außerordentlich hervorragender Blog

Es ist ja nicht meine Art Werbung zu machen. Ich bin sonst ein Kämpfer gegen jegliche Art von Kommerzialisierung und die Übernahme von Werbeunternehmen. Allerdings ist diese Werbung positiv, da sie Werbung für eine andere verwirrte, junge Seele wie meine Wenigkeit macht, die auch ab und an in die Tasten haut und was schreibt
Ich werde sie mal mit einem Musikstück zusammenfassen: http://www.youtube.com/watch?v=yRPUzCjPH5I&feature=related
Eine lustige, interessante Person mit Begleitung, die den späten Stride im Jazz beeinflusst hat. Streicht letzteres.
http://dragonique.blog.de/
Lest es oder ich sperre euch in einen dunklen Raum und spiele euch Morton Feldmans Quartett Nr.2 vor. JA, das ganze.

Auf Wiedersehen

Montag, 9. August 2010

Musikalische Folter Teil 2- Michael Wendler "Jackpot"

Während ich ein riesiger Verehrer Frederic Chopins bin und ihn für den größten Komponisten aller Zeiten halte, mag meine Freundin Johann Sebastian Bach ein kleines Stück mehr. Allerdings kommen wir auf einen Nenner, wenn es um die Stücke geht, die wir am liebsten selbst spielen. Felix Mendelssohns „Lieder ohne Worte“, insbesondere die Nr. 1 daraus. Wagners antisemitische Hetze gegen Mendelssohn löst sich in Nebel auf, wenn man seine sanften Melodien und lyrischen Verstrickungen hört, die Chopin und Field selbst vermutlich nicht besser hinbekommen hätten.
Der ein oder andere denkt sich jetzt „warum referiert dieser Penner hier über romantische Musik, wenn er doch im Titel etwas anderes versprochen hat?“ Ganz einfach, während uns Mendelssohn Lieder ohne Worte versprochen und geliefert hat, erwarte ich bei dieser Platte eher „Worte ohne Lieder“. Vermutlich bin ich aber nur mal wieder zu negativ. Allerdings habe ich vollstes Recht dazu, schließlich habe ich mir ein Doppelalbum von Justin Bieber angehört.
Heute höre ich mir allerdings „Jackpot“ von Michael Wendler an. Gleich das Coverfoto verspricht einen Heidenspaß. Wendler posiert darauf mit entblößter Brust so verkrampft, dass man glatt das Gefühl bekommt, er habe einen Schlaganfall bekommen als es geschossen wurde. Wahrscheinlich ist es nur ein Symbol für die quälende Produktionsarbeit, die er in dieses vermutlich fantastische Album hineingesteckt hat. Es fängt bereits hervorragend an. Jemand sagte mal „Du weißt, dass du ein gutes Stück geschrieben hast, wenn deine Musik sofort vertraut wirkt, obwohl sie neu ist“. Naja, vertraut wirken die furchtbaren, synthetischen Kicks, die hochgepitchten Synthies, die nervigen Claps bei jeder 2 und 4 und die Standardbegleitung schon, allerdings nicht im positiven Sinne. Eher im Sinne von „hab das schon so oft gehört, dass ich einen Wutanfall kriege, wenn es schon wieder auftaucht“. Ok, zugegebenermaßen, das ist ja bei Schlager immer so. Immerhin rettet der Text von „Piloten wie wir“ hier einiges. Also, mal ganz ehrlich, ich habe Kafka gelesen und verstanden, auch Finnegans Wake von Joyce und Kurt Vonneguts Reise in sein eigenes Buch in „Breakfast of Champions“ konnten mich nicht zu sehr verwirren, obwohl sie es beinahe geschafft hätten. Michael Wendler hingegen hat es geschafft. Allerdings war es keine gelungene, künstlerische Verwirrung. Ich fasse mal zusammen, was im Song passiert: Michael Wendler sitzt mit Geldsorgen an einer Bar und hat Angst, jemanden(mich) zu verlieren-Wendler singt vom Leben eines Piloten, der hoch aufsteigt und dann abstürzt-ein anderer, total kaputter Typ kommt in die Bar und sagt, dass es Michael bestimmt wie ihm geht-Pilotenleben. Was?? Ich übertreibe nicht, Wendler führt überhaupt nicht zu den Metaphern hin, die er benutzt. Alles kommt mir irgendwie vor, wie ein riesiges, nonlineares Wirrwarr ohne Kohärenz. Den Käse danach gut raspeln und Olivenöl ins Wasser geben.
Track Nummer zwei will mich über Michaels Erlebnisse „Freitag Nacht“ informieren. Hat sich irgendwas an der musikalischen Begleitung geändert? Natürlich nicht, der Beat ist so ziemlich der gleiche. Man hat nur eine langweilige synthetische E-Gitarre hinzugefügt, die sich in der langweiligsten Art überhaupt einsetzt. Ich bekomme außerdem das Gefühl, dass Michael an Echolalie leidet. Beim Chorus wird jedes mal jedes Zeilenende leise wiederholt(leise wiederholt). Das erklärt vermutlich auch das Coverfoto. Es war gar kein Schlaganfall, er wollte vermutlich nur die körperlichen Ticks seines latenten Tourette-Syndroms ein wenig unter Kontrolle bringen, allerdings hat das die sprachlichen vermutlich nur noch verstärkt. Wie dem auch sei, diesmal hat der Song tatsächlich eine nachvollziehbare Handlung. Michael trifft Freitag Nacht eine Frau, die ihn seltsamerweise nach dem ersten Treffen „Hase“ nennt und fabuliert darüber, wie geil die Zeit mit ihr ist. Soweit nichts neues. Sonah auch nicht. Das Song ist absolut lahm. Immerhin erinnert er mich an die Zeiten als ich ein ganz kleiner Steppke war. „The princess is in another castle“. Leider hat Michaels „Prinzessin“ es Peach nicht nachgemacht und ihn zu diesem Lied inspiriert. Mich darfst du nicht Hase nennen, Lady.
Ankündigung: ich werde die Instrumentals nur noch kommentieren, falls irgendetwas neues kommt. Also lest ihr womöglich nie mehr in diesem Artikel etwas darüber. Ich bin eben kein Optimist. Wo ich vorher aber Kafka erwähnt habe: sein Brief an seinen Vater offenbart eine Welt, die wir alle in gewisser Weise kennen. Der Konflikt mit den Eltern, in Kafkas Fall der eines fragilen Intellektuellen und eines rüstigen alten Herren. Schwerer Stoff. Allerdings versteht man Kafkas Geschichten sehr viel besser, wenn man sich seine Korrespondenzen durchliest. Mal sehen, was der Brief von Michael aussagt. Urplötzlich ergibt sich ein roter Faden! Mendelssohns Lieder blieben unausgesprochen, so wie auch Kafkas Brief von seinem Vater nie gelesen wurde. Auch Michaels Brief ist leider niemals abgeschickt worden. In diesem Brief schrieb er, weshalb er seine damalige Freundin verlassen musste. Allerdings spielt er mit den Gedanken, sie wieder zu besuchen und fährt durch die ehemaligen Vororte seiner Erinnerung. Wobei ich mir dieses Treffen doch gewünscht hätte. Nicht, weil ich romantisch daran denke, dass sich die zwei alten liebenden wiederfinden, sondern weil ich ihren geschockten Gesichtsausdruck sehen will, wenn sie sieht, dass ihr damals geliebter Michael heute zu einem Schlagersänger geworden ist, der bei seinen Posen so aussieht als sei jede einzelne Muskelfaser seines Körpers in einen tiefen Schmerz getaucht. Oder sie sagt einfach nur: „Hey Michael, schön dich nach der Zeit mal zu sehen. Wenn du jetzt dein Hemd zuknöpfst, kannst du vielleicht auch mal rein.“
Wendler informiert uns nun darüber, dass er ein Spieler ist. Ich dachte zuerst an Backgammon, allerdings lag ich falsch. Michael spielt mit den Herzen der Frauen und schafft es dabei nicht, nicht wie ein verbitterter Stalker zu klingen. „Ein letztes mal schlag ich an deine Tür“. Na sicher. Ich habe eine Zahl für die Frau, die in diesem Song thematisiert wird. 238.
Neben seinen Tendenzen hinsichtlich Stalking fällt mir bei „Ich geh kaputt wie Glas“ auch auf, dass Wendlers Songtitel irgendwie ungelenk gewählt sind. Wäre „Wie Glas“ nicht passender? Naja, wahrscheinlich würden sich seine Fans „was wie Glas?“ denken, schließlich sind es bestimmt auch diejenigen, die mit „ja“ antworten, wenn man im Fastfood-Restaurant gefragt wird, ob man etwas zum hier essen oder mitnehmen will. „Ich weiß nicht, warum ich dich noch liebe, aber heimlich lauf ich euch hinterher, auf frischer Tat will ich euch ertappen, wenn das so einfach wär“. Die Frau, die in den Tracks hier angesprochen wird, sollte sich wirklich hüten. Scheinbar gilt es heute aber als romantisch, seiner geliebten paranoid hinterherzulaufen. Ein wesentlich besserer Titel wäre „Stasi-Love“. Klingt irgendwie cool.
In „Spiel, Satz und Sieg“ geht es darum, dass Michael mit seinen Kumpels eine Mitarbeiterin eines Casinos anbaggert. Im Refrain heißt es „Spiel, Satz und Sieg, sonst hab ich immer verloren“. Glaub mir, Micha, es ist heute nicht anders. Du versagst seit 6 Tracks auf ganzer Linie und ich habe die Hoffnung verloren, dass das Album jemals besser wird. Hoffentlich gefällst du der leicht mutierten Casinomitarbeiterin(„in deinen Augen sehe ich 3 mal die Sieben“), der du mal wieder deinen ganzen Charme präsentierst(„diese Nacht wird wegen dir sicherlich hart“). Ich glaube allerdings, dass auch dreiäugige Frauen ein wenig mehr Anspruch haben.
Sommerregen ist so langweilig, dass ich nicht mal einen witzigen Kommentar dazu finde. Höchstens, dass Michael ganz schön aggressiv dafür klingt, dass das hier eigentlich ein Liebeslied ist. „Doch am Ende zählt nur, wer noch steht, wer überlebt“ passt in dieser Form doch eher zu Manowar.
In Sandmann erfährt Michael von einer üblen Affäre seiner Frau und klingt dabei im Refrain wie ein Bauarbeiter. „Sandmann, wann schleppst du den Sand ran“. Hoffentlich bringt dieser Herr Sandmann einen ganzen Laster mit Sand mit, den er über Wendler auskippt. Ansonsten ist der Text wie immer, ein mit Offensichtlichkeiten(„Die Nachbarsfrau aus den Nachbarhaus“) und Affinität zum Stalking gefüllter Hilfeschrei eines Mannes, der dem Druck nicht standhält. Fragt sich nur, welchem.
Ich erwähne jetzt mal, wie bereits bei Justin Bieber, nur noch die Highlights der restlichen Tracks:
„Bei uns wachsen sogar Bäume“-“Attacke!“-“Du siehst so gut aus, wie ein Stück Sahnegebäck“, hüte dich Shakespeare, du hast einen Konkurrenten bekommen-“Warum komm ich mir vor, wie ein totaler Idiot“, weil du auf jedem Track das gleiche Drumsample benutzt?-“Diese Nacht schreit deinen Namen“, was zur Hölle? Das klingt fast wie der Titel eines Gedichtes von Gottfried Benn.
Die letzten zwei Songs sind Remixe zweier vorher gehörter Titel. Allerdings ist Remix ein bisschen weit gefasst, da sich bei ihnen, natürlich, die Drums und das Arrangement nicht wirklich ändern.
Nach so vielen verbrannten Hirnzellen wird es jetzt natürlich Zeit für ein Fazit. Mein Persönliches Fazit ist, dass mein Schmerz sicher gelindert werden kann, wenn ich jetzt mal ein bisschen Mendelssohn spiele und von der grauenhaften Untiefe des menschlichen Musikgeschmacks losgelöst und befreit bin. Allerdings kann nichts den Schmerz lindern, wenn man sich Michael Wendler anhört.
Ich betone nochmal, dass ich sicherlich nicht das Zielpublikum von Michael Wendler repräsentiere. Dafür habe ich vermutlich zu oft richtige Interpunktion und Orthographie verwendet. Wie dem auch sei, dieses Album ist absolut nicht empfehlenswert. Das ist sogar untertrieben, es toppt sogar Justin Bieber in Sachen Grausamkeit.
Kauft euch das Album nicht. Kauft Michael Wendlers Produzenten lieber eine CD mit neuen Drumloops.

Auf Wiedersehen.

Sonntag, 18. Juli 2010

Oh Gott, mach es aus!! Teil 1: Justin Bieber

Es ist immer relativ schwierig, einen roten Faden zu finden, der sich durch einen Text, ein Musikstück oder irgendein anderes längeres oder kürzeres Erzeugnis zieht. Man kann allerdings auch einfach versuchen, irgendetwas beliebiges zu nehmen, das sich dann auf wundersame Weise perfekt in den Kontext einpasst. Habe ich jetzt mal vor. Momentan höre ich Ralph Vaughan Williams' orchestrale Fantasie auf der Melodie von „Greensleeves“, einem alten englischen Volkslied, welches einer Legende nach sogar von König Heinrich dem Achten selbst geschrieben worden ist, wenn er nicht nebenbei noch eine Frau köpfen oder eine Kirche gründen musste. Er war eben ein hoffnungsloser Romantiker. Wie dem auch sei, die Melodie von „Greensleeves“ würde vermutlich jedem ein „Ah“ entlocken, da sie mehr oder weniger von fast jedem bekannteren „Künstler“ aufgegriffen und interpretiert (bzw. verschandelt) wurde, wobei die von mir weiter oben beschriebene Orchesterfantasie Williams' wohl die beste Version überhaupt ist, unbedingt anhören.

Nach dieser kurzen Geschichtsstunde, inklusive einem äußerst hervorragendem Musiktipp, komme ich nun zu meinem eigentlichen Thema, in das ich Greensleeves einnähen werde.

Die Jahre 2000-2009 waren eine ziemlich aufschlussreiche Zeit, was Popkultur anging. Das Internet wurde zu einem vom Alltag untrennbaren Phänomen und ein neues ökologisches (Un)Bewusstsein wurde durch den absolut ehrlichen, überhaupt nicht manipulativ-emotional gefärbten Dokumentarfilm von Al Gore geweckt. Eine aufregende Zeit also, auch was die Maschinerie des Plastikpop angeht. Diese bediente sich nämlich bei diversen Internetportalen, um junge, von schönen Illusionen träumende Sänger und Sängerinnen für ihre Plattenfirmen zu verpflichten. Manch einer dachte schon, die Musiker auf den Plattformen seien Rebellen, die aus Spaß ihre Musik ins Internet stellen, um so den rücksichtslosen Managern der Popindustrie den virtuellen Mittelfinger angesichts ihrer ungekünstelten und ehrlichen Art zu zeigen. Naja, wahrscheinlich wirkt man auf den Pressefotos mit nach oben getackerten Mundwinkeln doch natürlicher als per Webcam im Schlafzimmer aufgenommen. Wer weiß.

Der oben beschriebene Rekrutierungsvorgang hat jedoch einen jungen Interpreten ans Tageslicht befördert, der nun seit rund einem Jahr in den prä- und postpubertären Träumen kleiner Mädchen und Südstaatenpfarrer zugleich herumirrt. Es handelt sich dabei um Justin Bieber, der mit einigen putzig androgynen Auftritten auf Youtube den Weg an die Spitze der Verkaufscharts gefunden hat. Bereits die Titel seiner Alben sind vermutlich eine Vorahnung auf die Redundanz, die mich beim Hören der Scheibe erwarten wird. „My World“ und „My World 2.0“. Wie kreativ, man wäre beinahe geneigt, zu mutmaßen, wie wohl das dritte Album heißen wird. Da ich jedoch ein ganz harter Hund bin, werde ich nicht etwa eines dieser Alben bewerten, keineswegs. Ich werde das Doppelalbum bewerten, das wie heißt? „My WorldS“. Als passionierter Hobbymathematiker bin ich mir im Klaren darüber, dass es jetzt vielleicht zu früh ist, allerdings glaube ich, ein Muster entdeckt zu haben. Endlich weiß ich, nach welchen Prinzipien die Figuren in meinem Teppich gewebt wurden. Justin Biebers Albentitel überraschen mich allerdings immer noch. Bevor es losgeht, lieber noch eine Runde Vaughan Williams, um den Schmerz zu lindern.

Der erste Song auf dem Album heißt „One Time“. Ich habe scherzhafterweise „Ja, wahrscheinlich ein mal zu viel“ gesagt, bevor ich ihn überhaupt gehört habe. Witzigerweise verließ dieser Gedanke auch nach dem Hören nicht wirklich meinen Kopf. Justin Bieber singt, aufgeregt wie ein 8 Jähriger nach zu vielen Gummibären, über seine große liebe, während er von einem Beat begleitet wird, der synthetischer ist als eine 5 Minuten Terrine. Es ging bei Greensleeves übrigens auch um die Liebe. Lady Greensleeves bricht das Herz des Autors. Sicherlich findet sich auch hier etwas ähnliches.

Im nächsten Song versichert mir Justin Bieber erneut, dass ich sein „number one girl“ bin. Danke dafür. Ich bin zwar männlich, allerdings nehme ich Komplimente jelicher Art gerne entgegen. Das Kompliment wird allerdings dadurch zunichte gemacht, dass mich Justin vermutlich für ein wenig einfältig hält, so oft, wie er doch den vorherigen Satz im Song benutzt hat. Bestimmt ist das aber nur eine Fehlinterpretation meinerseits. Schließlich findet er mich so süß und ist so putzig, hihi.

Der dritte Track namens „bigger“ handelt von Justins Reifeprozess. „Believe me like a fairytale“ heißt es gleich am Anfang. Tu ich bereits. Weiterhin betont er „we aint on the playground no more baby!“, eine ziemlich wichtige Erinnerung. Wobei sie eigentlich doch unnötig ist, wer würde denn bei einem Interpreten wie Justin Bieber an einen Sandkastenkasanova denken?

Track 4 nennt sich „one less lonely girl“. Es geht in diesem Song darum, dass Justin erneut beteuert, dass er ein extrem toller Freund ist, der sich immer Zeit nimmt und jedes Mädchen so, wie es ist. Herzzerreißend. Dabei klingt er überhaupt nicht suggestiv, wenn er „if you let me inside your world, there would be one less lonely girl“ singt. Wahrscheinlich ist es nur mein dreckiges Hirn, das etwas in diese unschuldigen Zeilen hineininterpretiert. Dass ein Mädel die Zeile „I saw so many pretty faces before I saw you“ womöglich auch in den falschen Hals bekommen könnte, hat Justin wahrscheinlich nicht durchdacht. Ach, er macht das mit seiner zuckersüßen Ausstrahlung wieder wett. Dieser ist es auch zu verdanken, dass die energisch gesungene Zeile „I'm coming for you!“ im Chorus nicht gruselig wirkt.

Glitschiger als Vaseline ist Song Nummer 5. Irgendwie ging das Zeug ins eine Ohr rein und aus dem anderen wieder raus, ohne auch nur ein einziges mal irgendwo anzustoßen. Es geht wohl darin, dass Mr. Charming mit einem Mädel auf seinem Abschlussball tanzen will. Natürlich ganz romantisch und so. Witzig macht diese Vorstellung, dass Justin Bieber in der wirklichen Welt nie auf der Schule war, sondern von seinen Eltern Homeschooling erfuhr. Da die meisten Fans seinerseits aber wahrscheinlich nur ungern eine Abschlussfeier in der eigenen Garage feiern möchten, musste man eben ein bisschen flexibler mit den Themen umgehen. Das einzige, das mir von dieser auditiven Amnesie im Kopf blieb ist „no teachers around us to see us dancing close, I'm telling you our parents will never know“. Ein paar Verse davor betonte er, dass es für das Girl „the evening of your life“ wird. Jeder kann sich jetzt seinen Teil denken. Ihr Drecksäcke.

Ein „Cover“ von „Lovefool“ der Cardigans erwartet einen, wenn man es bis zum sechsten Track geschafft hat. Justin Bieber schafft es in diesem Song überraschenderweise, femininer zu klingen als Nina Persson im Original. Daumen hoch dafür. Ich habe das Wort Cover in Anführungszeichen gesetzt, weil Mr. Charming nur die Melodie und den Chorus ein wenig übernommen hat. Außerdem enthält der Track eine der schönsten Kombinationen von Verblendung und Hedonismus, die ich je gehört habe. „Baby you can do no wrong, my money is yours“, zauberhaft. Ich glaube, Heather Mills hat einen neuen Lieblingssong.

„Common Denominator“. Cool, endlich was mit Mathe! Justin benutzt allerdings nur zwei spärliche Metaphern, wobei sein Schätzchen in einer sogar für dumm verkauft wird. „I don't wanna go back to being one half of the equation, do you know what I'm saying?“. Charmant. Dass Justin seine große Liebe oftmals unterschätzt scheint ein sich wiederholendes Motiv auf dem Album zu sein. Ich möchte außerdem noch die putzigen gebrochenen Akkördchen erwähnen, die das Piano neben einem unpassenden Synthie spielt. Wie oft habe ich schon „putzig“ geschrieben?

„Baby“ ist wieder Gleitmittel für die Ohren. In meinem Kopf ist nur „I will buy you anything, I will buy you any ring“ hängen geblieben. Wow, Justin, du hast absolut Begriffen, wie wichtig Hedonismus ist. Aristippos würde dir jetzt auf die Schulter klopfen. In Greensleeves hieß es noch, dass sich die Geliebte nichts irdisches wünschen könnte, da dies nie ein Wesen wie sie beglücken könnte. Naja, so ändern sich die Zeiten.

„For you I'd write a symphony!“ tönt es gleich danach am Anfang des Liedes „somebody to love“. Gewagte Behauptung für jemanden, der in seinen Songs nicht wirklich richtige Themen hat, die man musikalisch Verarbeiten könnte. Naja, lassen wir das mal. Wichtiger ist die Feststellung „money can't buy me somebody to love“. Paul McCartney ist immer eine gute Referenzquelle, auch wenn man mit seinen Ideen in einer Position steht, die vollkommen konträr zu den Lyrics davor ist. Egal, merken die Fans eh nicht.

Im elften Track ist Justin „stuck in the moment“ und vergleicht sich und seine liebste mit einigen Paaren wie Romeo und Julia und Bonny und Clyde. Wenn ich eine Mädchen wäre, würde ich mir bei diesen Vergleichen Sorgen machen. Naja, ihr wisst schon...

Jetzt reicht es mir mit genauen Analysen, deswegen fasse ich mal in Zeitraffer zusammen, was auf dem Rest des Albums geschieht: „I won't ever hesitate to give you more“-“with you there's no in between, I'm all in“-“she says she needs a little company, even if she's not always with me“-ein Featuretrack, bei dem man Justin Bieber schwer von seinem weiblichen Duettpartner unterscheiden kann-“eenie meenie miny mo“-unendlich unspektakuläre Textzeilen, die sich nahtlos anfügen lassen.

Sicherlich denkt sich jetzt der ein oder andere: „Ist es nicht unfair, ein Popalbum, das an Teenager gerichtet ist, von einem grimmigen Klassikliebhaber bewerten zu lassen?“. Da könntet ihr vielleicht Recht haben, allerdings geht es hier im Grunde um viel mehr als nur um eine Musikbewertung. Es geht hier um einen Einblick in den Zeitgeist unserer weiblichen Teenager, so wie eben Greensleeves einen Einblick in das Liebesleben im England des 14ten Jahrhunderts gibt. Während im dieser Zeit die meisten Liebeslieder davon handelten, seine Geliebte so sehr zu schätzen, dass man sich selbst als ihr gegenüber unwürdig betrachtet, so tut Justin Bieber das genaue Gegenteil und klopft sich im Grunde auf seine eigene Schulter, weil der gute so ein mitfühlender Freund ist, den das „number one girl“ sich lieber krallen sollte, bevor es jemand anderes tut.

Ob die Dame mit den grünen Ärmeln nun das Herz Heinrichs des Achten gebrochen hat oder nicht, spielt keine Rolle. Fakt ist, dass es Justin Bieber bei mir nicht wirklich geschafft hat. Die Musik ist redundant, die Songtexte sind noch redundanter, die Musik ist redundant und außerdem wiederholt sich immer alles. Das ist einfach absolut furchtbar und meiner Meinung nach kann man auch 14 Jährigen etwas besseres bieten als das. Also, wenn ihr Kinder habt- bloß nichts von Justin Bieber kaufen! Kauft dem Kind lieber eine Blockflöte und bringt ihm bei, auf ihr Greensleeves zu spielen.


Auf Wiedersehen.

Freitag, 16. Juli 2010

Minimalismus - oder die Kunst des Redundanten

Obwohl das hier mein erster Blogpost ist, verzichte ich einfach mal, mich vorzustellen. Ihr hättet sicherlich auch an meinen folgenden Beiträgen gemerkt, dass ich ein hoffnungsloser Romantiker bin, der gerne auf einem weißen Ross in den Sonnenuntergang reitet. Letzten Endes ist es auch gesünder, mich nicht zu kennen. Glaubt mir, die Kollegen von der CIA würden euch nur noch belästigen, wenn ihr mich kennen würdet. Wie dem auch sei, das ist nicht das Thema.

Das Thema des jetzigen Posts soll etwas wirklich sinnvolles sein, ausnahmsweise. Ich bin ein sehr großer Verehrer der Kunstmusik aller Epochen. Ihr wisst schon, die Typen mit Perücke und wirre Hippies, die mit Zucchinis auf Klaviertasten prügeln. Aber ist das wirklich die Essenz der Kunstmusik? Ist sie nur eine Ansammlung elitärer und prätentiöser Armleuchter mit aufgeblasenen Egos? Nun ja- ja! Zumindest teilweise. Und es ist dazu auch noch zu beachten, dass sich diese Zeitgenossen meist im Publikum befinden und nicht unter den Komponisten selbst. Es ist eben immer der gleiche Konflikt. Der eine findet Erdbeeren toll und der andere Himbeeren. Letztendlich kommt es doch darauf an, dass jede Seite mit ihrer eigenen ästhetischen Wahrnehmung zufrieden ist. Und ich finde Himbeeren zum Kotzen. Das zerstört aber nicht mein Argument! Wie dem auch sei, ich mache nun etwas ungewöhnliches und komme zum Thema des Postings. Den Minimalismus. Ich will euch nicht nur den Minimalismus vorstellen, für den Glass, Reich, Riley, Adams, Young und Pärt bekannt wurden, sondern etwas tiefer graben und nach minimalistischen Spuren suchen, die noch etwas weiter in die Vergangenheit führen. Es kann losgehen.

Das früheste Stück, das ich als einen Vorläufer des Minimalismus bezeichnen würde, stammt von jemandem, der die Ehre hatte, ein Stück seinerseits als Nationalhymne verwendet zu sehen. Da dieser Herr Österreicher ist, ist es klar, dass ich die Nationalhymne Deutschlands meine (wie freundlich die Österreicher immer sind, dass sie uns Hymnen schreiben). Josef Haydn ist unter vielen Hörern relativ unterschätzt. Man sagt ihm nach, ein kompletter Langweiler zu sein, dessen Melodien und musikalischen Ausarbeitungen zu symmetrisch und geradlinig sind. Das mag zwar in manchen Fällen stimmen, jedoch mag ich Haydn aufgrund einer persönlichen, subjektiven Wahrnehmung. Stücke von Haydn vermitteln mir immer den Ausdruck von Aufgeklärtheit und Scharfsinnigkeit, den ich sonst nur bei Bach finde. Beide Komponisten verstehen es perfekt, Stücke zu schreiben, die in einem gewissen Maße "perfekt" sind. So auch das Stück, auf das ich hinauswill. Es ist der erste Satz aus Haydns 22ter Sinfonie, mit dem schönen Beinamen "der Philosoph". http://www.youtube.com/watch?v=Zam5T0JPDmg Dieses Stück besticht durch eine verblüffende thematische Einfachheit und kann wie folgt interpretiert werden: der Philosoph Stellt träge eine Frage, erhält eine Antwort und stellt darauf hin eine weitere Frage etc. . Das Einsetzen der Streicher signalisiert eine Form von Erleuchtung und Entdeckung. Gleich darauf stellt der Philosoph andere Fragen, abgeändert durch die Klangfarbe des Orchesters. Man stellt im Nachhinein fest, dass dieses Stück doch mehr klassische Merkmale besitzt als das allgemeine Verständnis von minimaler Musik zulässt, jedoch trifft sich dieses Phänomen auch bei modernen Komponisten, wie beispielsweise John Adams.

Ein weiterer Schritt in die Zukunft offenbart uns ein Stück von Franz Liszt. Für gewöhnlich nimmt man Liszt anhand seiner Werke als einen Wahnsinnigen wahr, der sowohl Pianos als auch Pianisten zu tiefst hasst und mit gewaltigen Schwadronen von Noten zerstören will. Allerdings hat Liszt auch eine poetische, emotionale Seite, die sich manchmal offenbart. So beispielsweise im Stück "Nuages Gris" http://www.youtube.com/watch?v=6objDnNYGCQ Die meisten Gelehrten würden Liszt im Allgemeinen nicht als Vorgänger des Minimalismus betrachten, allerdings weist die Struktur dieses speziellen Stückes in diese Richtung. Liszt war auf sehr vielen Ebenen Pionier, allerdings meist nur für ein Stück. So hätte er beispielsweise als Entdecker der Dodekaphonie durchgehen können, 17 Jahre bevor Schönberg überhaupt geboren wurde. So wie sich hier eine Repetition des Themas findet, findet sich in seiner Faust-Sinfonie auch eine Zwölftonreihe, die durch geschickte Modulation trotzdem einen tonalen Bezug hat.

Über den Einfluss dieses Mannes auf die Bewegung an sich besteht allerdings kein Zweifel. Erik Satie. Ein durchgehend sarkastischer Kerl, der einst behauptet hatte, als alter Mann in einem jungen Körper auf die Welt gekommen zu sein. Insgesamt beeinflusste und entdeckte er mehr musikalische Verfahren als jeder andere Komponist vor oder nach ihm. So prägte der Klang seiner Frühwerke den Impressionismus und er verwendete Reihenprinzipien in seiner Komposition bevor Schönberg es tat. Sein Einfluss auf den Minimalismus lässt sich jedoch am besten an seinen Gnossiennes und Gymnopedies ablesen, beispielsweise http://www.youtube.com/watch?v=PLFVGwGQcB0 Dieses Stück besteht im Wesentlichen aus zwei Akkorden und schafft es dennoch, eine dicht gewebte, dunkle Atmosphäre hervorzurufen, die düsterer ist als die Zukunftsaussichten von Abgängern der Rütli-Schule.

Kommen wir nun aber zum Eingemachten, dem Minimalismus in seiner Lehrbuchdefinition. Als erstes konventionell minimalistisches Stück wird "In C" von Terry Riley angesehen. Das 1964 komponierte Stück ist in seiner Form sowohl minimalistisch als auch Teil der sog. "indeterminate music". Das heißt, gewissermaßen, dass jede Aufführung des Stückes ein völlig anderes Resultat hervorbringt. Das erreichte Riley durch folgende Technik: er komponierte über 50 kurze Phrasen, die die Musiker in der vorgegebenen Reihenfolge spielen sollen. Allerdings dürfen sie sich frei aussuchen, wie oft sie eine Phrase Wiederholen oder einen Takt aussetzen. Durch diese formalen Aspekte können beliebig viele Musiker an einer Aufführung partizipieren, beispielsweise hier in sehr beeindruckender Form http://www.youtube.com/watch?v=vJSEcoeCgus Weitere Empfehlungen meinerseits sind "a rainbow in curved air" und "the cusp of magic"

Terry Riley's "In C" hatte einen sehr großen Einfluss auf Steve Reich, welcher besonders von den Effekten beeindruckt war, die durch die wechselnden Segmente des Stückes entstanden. Im Gegensatz zu Riley war Reich jedoch strenger in seiner Form und komponierte die Stücke durch, um einen möglichst starken Eindruck auf den Hörer zu hinterlassen. Er nannte seine Form des Minimalismus "Process Music", da sie auf Akkorde gestützt ist, die in zyklischer Form während des Stückes auftreten und einen sehr hohen Grad an innerer Symmetrie aufweisen. http://www.youtube.com/watch?v=xU23LqQ6LY4 Reichs Spiel mit Klangfarben und kleinsten rhythmischen Verschiebungen sorgt oftmals für Effekte wie wahrgenommene Echos. Weitere Empfehlungen: gesamtes Oeuvre

Steve Reich hatte früh Kontakt zu einem anderen Amerikaner, der prägend für die minimale Musik werden sollte. Philip Glass. Glass' Technik ist innerhalb der Kunstmusik berüchtigt und wird oftmals kritisiert, da sehr viele Elemente in der stets gleichen Form in seinen Kompositionen vorhanden sind, beispielsweise Ostinati, schnelle Apreggios und meist simple, tonale Strukturen. Trotzdem hat sich Glass' Stil auch außerhalb der Kunstmusik durchgesetzt und wird beispielsweise von vielen Filmkomponisten kopiert. Wer heutzutage einen melancholischen Klavierpart in einem Soundtrack hört, wird sich mit sehr großer Sicherheit an Glass erinnert sehen. Ein gutes Beispiel für seinen Stil ist sein erstes Violinenkonzert http://www.youtube.com/watch?v=WB0wHIC0NS0 Die Schwierigkeit ergibt sich durch die Betonung der in Triolen gebrochenen Akkorde. Bei Glass findet sich eine gewisse Ähnlichkeit zu Haydn- wenn es langweilig gespielt wird, klingt es langweilig. Trotz aller kompositorischen Klasse. Empfehlungen: gesamtes Oeuvre

John Adams ist als Komponist schwerer einem bestimmten Stil einzuordnen und hat sich in den letzten Jahren ein wenig außerhalb des puren Minimalismus entwickelt. Seine Frühwerke sind allerdings richtungsweisend und haben einen stärkeren Bezug zur Musik seiner Zeitgenossen. So findet sich in seinen frühen Kompositionen meist eine gewisse Wahrnehmung von Schwerelosigkeit und Abgewandheit von der Welt, ein gewisses träumerisches Element. So beispielsweise in seinem frühen Klavierwerk "China Gates" http://www.youtube.com/watch?v=kY1PeH9fg5A Man erkennt hier gewisse Parallelen zu Glass und Reich durch die stetige, langsame Entwicklung des Stückes. Empfehlungen: gesamtes Frühwerk, allerdings auch seine Musik ab 95, obwohl sie nicht rein minimalistisch ist

Zum Schluss nun einen europäischen Vertreter. Arvo Pärt. Pärt startete Seine kompositorische Karriere in der UDSSR, was so ziemlich hieß, dass man moderne Einflüsse vergessen konnte, wenn man nicht gerade Shostakovich war. Seine Frühwerke haben eine extreme Brutalität und Kraft, die selbst Schönberg in den Schatten stellen. Anfang der 70er Jahre besann sich Pärt jedoch darauf, Musik zu schreiben, die der Seele auf eine Positive Weise schmeichelt. Er entwickelte den sog. Tintinnabuli- bzw. Glocken-Stil, bei dem sich die einzelnen Stimmen in tonaler Färbung um einen Zentralton drehen. So erhält man Musik, die interessant und abwechslungsreich trotz Widerholungen ist. http://www.youtube.com/watch?v=v0uYpYHOYB8 Tabula Rasa ist ein Duett zweier Violinen mit einem Streichorchester und einem präparierten Piano, das glockenähnliche Laute einwirft. Empfehlungen: Alles ab den 70ern, Frühwerke nur anhören, wenn man auch Schönberg bzw. dissonante Musik generell mag

So, das war es jetzt zunächst mal. Ich habe euch aus dem tiefen Tal der musikalischen Unwissenheit herausgeführt und euren Horizont erweitert (seid froh, dass es vorerst nur der Horizont ist). Aber denkt immer an folgendes: Egal, wie gut euer Musikgeschmack ist- ihr werdet trotzdem nie so cool sein wie ich. Nie.

Auf Wiedersehen.